Die Elmau ruft „Om“. Zum zweiten Mal bereits besuche ich den jährlichen „Yoga-Summit“ auf Schloss Elmau in Bayern. Fünf Tage Yoga und Meditation mit phantastischen Lehrern, himmlisch! Da ich ziemlich viel gearbeitet habe in den vergangenen Wochen, kann ich diese Zeit der Besinnung gut gebrauchen. Doch leider läuft das Leben oft anders, als man es sich so vorstellt. Da kam mir die Begegnung mit dem indischen Mönch Gaur Gopal hier beim Summit gerade recht.

Bei mir zuhause in Norddeutschland ist nämlich gerade die „Hölle“ los. Unserem acht Monate alten Labrador ist es gelungen, heimlich zwei Holzgegenstände zu verspeisen. Das Grauen danach kann sich jeder Hundebesitzer locker ausmalen. Labradore sind hemmungslose Allesfresser, die auch vor lebensgefährlicher Nahrung selten zurückschrecken. Und so renne ich zwischen den Lektionen ganz unyogisch mit dem Handy herum und konferiere mit meinen Lieben, die das Tier versorgen. Die angestrebte Schwerelosigkeit will sich nicht wirklich einstellen. Von Erholung kann man nur bedingt sprechen. Gestern am Abend sprach Gaur Gopal über die Kunst, das Leben zu meistern. Und heute fühlt sich die Welt dank seines Vortrags für mich wieder anders an. Nicht schwerelos, aber um einige Kilogramm leichter. Durch eine einfache Verschiebung der Blickrichtung.

Der große Saal auf Schloss Elmau. Hier finden viele Yogakurse statt.

Gaur Gopal lacht fast immer.

Erstaunlich! Gaur Gopal ist weltweit für fast banale Lebensweisheiten bekannt. Er erzählt bei seinen Vorträgen kleine Anekdoten, macht Witze (zum Teil saukomisch, zum Teil etwas albern) und verpackt Philosophie in leicht verdauliche Häppchen. Ich selbst liebe komplexe Theorien und schwierige Bücher, eben lauter verkopftes Zeug. Gaur Gopal war somit gar nicht „my cup of tea“. Gestern sprach er zum Beispiel über die Bhagavad Gita – einen uralten, faszinierenden, doch schwierigen Text. Ich habe ihn selbst gelesen (und auch schon auf diesem Blog vorgestellt). Dieser rundliche, orange gekleidetet Mann mit dem netten Kindergesicht brach ihn ruckzuck auf ein paar einfache Lehren herunter. Dazu schüttelte er zwei Getränkeflaschen, um diese dann vorsichtig zu öffnen. Aus der einen sprudelte kohlensäurehaltige Sprite heraus. Die andere (mit stillem Wasser) blieb ruhig wie ein Bergsee. Danach verglich er unseren Geist mit beiden Flüssigkeiten, also sowohl der Sprite, als auch dem ruhigen Wasser. Und natürlich wünschten wir uns alle, eher der zweiten zu gleichen. Ruhig und klar durchs Leben zu gleiten. Dass dies nicht immer gelingen könne, räumte  Gaur Gopal sofort ein. Aber damit es öfter klappe, wolle er uns ein Gefährt mit auf den Weg geben, ein CAR. Drei Buchstaben, die uns helfen sollen, durchs Leben zu rollen.

Wasserspiel auf der Elmau – gaaaanz ruhig…

„C“ stehe für „Change“. Das, was man ändern könne, solle man mit aller Kraft und ohne müde Entschuldigungen versuchen zu ändern. „A“ bedeute „Accept“. Das was man nicht ändern könnne, solle man akzeptieren und seinen Frieden damit schließen. Und „R“ steht demnach für „Rise“. Über das, was man nicht akzeptieren könne, solle man gleichsam hinauswachsen. Es aus einer höheren Perspektive betrachten. In seinem Fall etwa besteht das „R“ in seinem spirituellen Weg von Gebet, Yoga und Meditation. Das klingt ziemlich simpel. Doch Gaur Gopal hat es dank seines „CAR“s geschafft, heiter und in Frieden mit einer angeborenen Kiefer-Fehlstellung und unerträglichen Dauerkopfschmerzen zu leben. Und davor konnte ich mich gestern mit all meinen intellektuellen Kapriolen innerlich nur verneigen.

Heute morgen habe ich erstmal auf die Yogastunden verzichtet, den Tierarzt angerufen und alle Hebel zuhause hier von ferne in Bewegung gesetzt („C“ wie „Change“). Dann habe ich mich damit abgefunden, dass die angestrebte Schwerelosigkeit ein zu hoher Anspruch ist. Das Leben läuft eben holprig, auch hier auf der Elmau im Urlaub. Das zu akzeptieren, macht alles schon einmal leichter („A“ wie „Accept“). Für das „R“ kann ich heute am Nachmittag noch in eine Stunde gehen. Um vier unterrichtet einer meiner Lieblingsyogis, nämlich Patrick Broome. Ich hoffe, dann kurzzeitig abzuheben. Um danach wieder zufrieden auf dem Boden zu landen. In Erwartung der nächsten kleinen Katastrophe. Namasté!