„Grün ist die Hoffnung“ flötet die Vogue in ihrer aktuellen Ausgabe und widmet sich ausgiebig dem Thema Nachhaltigkeit. Die Hoffnung allerdings, hier wirklich eine „grüne“ Vogue in der Hand zu halten, stirbt ziemlich schnell. Zwar wurde die Plastikfolie, die das Magazin umhüllt, aus Recycling-Material produziert. Und man findet auch paar gute Textbeiträge. Zum Beispiel das Interview mit der idealistischen US-Designerin Gabriela Hearst oder das mit Javier Goyeneche, der mit dem Unternehmen Ecoalf aus Plastikmüll Mode macht. Doch viel Herzblut steckt in dieser in einer Pressemitteilung als „grün“ angepriesenen Vogue nicht.

 

Neben ein paar nachhaltigen Kleidungsstücken rekrutiert sich das textile Inventar der Modestrecken vorwiegend aus den „üblichen Verdächtigen“ der konventionellen Luxushäuser. Also zum Beispiel Armani, Dolce & Gabbana, Givenchy oder Chloé. Marken, die bisher wenig Flagge für Nachhaltigkeit gezeigt haben. Der Link zur Umwelt wird dann über das Thema Naturtöne oder Silhouetten, die Blüten und Blätter nachbilden, gezogen. Banaler geht es kaum. Im Kosmetik-Teil zählen acht von 22 Produktvorstellungen zu dem Bereich Green Beauty, also nicht mal die Hälfte. Immerhin wird noch die nachhaltige Make-up-Marke Kjaer Weis vorgestellt. Nebenbei: Der Artikel über den niederländischen Gartengestalter Piet Oudolf ist phantastisch.

Richtig ärgerlich wird es jedoch mit einem Grundlagentext dieser Ausgabe. Nämlich dem Stück “Ist das Mode oder kann das weg?“ von Bettina Pfau und Dennis Braatz. Dabei ist gerade letzterer ein echter Mode-Insider und begabter Schreiber. Sie analysieren hier, warum die Mode ihr grünes Gewissen entdeckt. Brav haben sie sich an ihre Hausaufgaben gesetzt, die Herkunft des Wortes „Nachhaltigkeit“ geprüft, sich mit dem Phänomen der Lohas beschäftigt und den Millenials. Sie nennen Beispiele für den Weg von Unternehmen in die Nachhaltigkeit und lassen ein paar Worte über Achtsamkeit fallen. Überall tröpfelt etwas Bildung heraus, doch einen Fluss der Kompetenz ergibt das nicht.

Natürlich haben die beiden Autoren auch einen Blick in die vielzitierte Studie The State of Fashion 2019 von McKinsey und Business of Fashion riskiert. Welche analysiert, dass 2020 ein großer Teil der Konsumenten der Generation Z angehören werden, die sich für Umwelt und Soziales interessieren. Aber so richtig profund auf das Thema lassen sich die Vogue-Mitarbeiter nicht ein. Alles bleibt seltsam vage mit einem leicht distanzierten Ton. Und: Sätze zum Recycling wie „Großen Unternehmen fällt ein Umdenken in diese Richtung betriebsbedingt eher schwer“ stimmen einfach nicht wirklich. Da hätten Pfau und Braatz vielleicht mal eine andere Studie, nämlich The Pulse of the Fashion Industry von der Boston Consulting Group und der Global Fashion Agenda, zur Hand nehmen sollen. In der steht genau das Gegenteil. Gerade viele große Unternehmen agieren nachhaltiger als kleine oder mittelgroße.

Der Gipfel des Ganzen ist jedoch der unfassbar lahme Appell, den eigenen Konsum zu hinterfragen. „Zwar ist es schön, wenn für jede von uns gekaufte Shampooflasche ein Baum gepflanzt wird oder 100 Dollar vom Verkaufspreis eines Armbands in unserem Namen an Unicef gehen. Noch schöner wäre es allerdings, wenn wir bei der nächsten Haarwäsche nicht ganz so verschwenderisch mit dem Inhalt umgehen würden, um länger etwas davon zu haben – oder die Unicef-Spende gleich ohne das Armband machen“, heißt es. Amen! Oder auch „Ey, Mann!“ Ein bisschen Shampoo-Sparen fürs gute Gewissen. Und dann mit Moralin-gewaschenen Haaren ab ins Flugzeug zum nächsten Modeshooting. Ich bin ja wirklich eine Freundin kleiner Schritte, aber das sind noch nicht mal Zwergenschritte. Die dennoch in einem pharisäerhaften Ton vorgetragen werden. Mit Themen wie CO2 oder Mikroplastik scheint sich hier niemand ernsthaft zu beschäftigen.

Mit Gisèle Bündchen auf dem Cover: Die März-Vogue

Gerade der Vogue, die gerne edle Resorts an weit entfernten Zielen empfiehlt und vom Anpreisen möglichst vieler exklusiver Produkte lebt, hätte etwas mehr Selbstkritik gut getan. Das Magazin hat eine intelligente Chefredakteurin, gute Autoren, tolle Kontakte und schöne Modestrecken. Einige nachhaltige deutsche Designer haben der Vogue unter Christiane Arp tatsächlich eine Menge zu verdanken.

Was dem Heft jedoch immer wieder fehlt ist die Bereitschaft, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen. So etwas wie Witz oder Selbstironie habe ich noch nie in der Vogue entdecken können. Hier wird dieser Mangel zum Verhängnis. Wahrscheinlich passt es einfach nicht zusammen: eine dem prallen Materialismus huldigende Konsumbibel und eine gutmenschelnde, grüne Ausgabe. Schon allein wegen der Anzeigenkunden nicht. Vielleicht wäre es ehrlicher, einfach die Finger von so etwas zu lassen. Das können andere Hefte deutlich besser. Die der Ausgabe beiligende Business-Vogue wirkt da viel authentischer.

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