Klarheit, Achtsamkeit, Überblick: Das habe ich mir in diesem Jahr für die Fastenzeit vorgenommen. Und als vorausschauende Maßnahme sozusagen entrümpele ich meinen Kleiderschrank. Ich habe natürlich Marie Kondos Aufräum-Bestseller „Magic Cleaning“ gelesen. Ihre Vorstellung, radikal seine Sachen „auszumisten“ und neu zu ordnen, um fortan mit weniger Dingen heiterer den Tag zu genießen, finde ich beinahe unwiderstehlich. Wie von ihr vorgeschlagen, beginne ich diese „Neusortierung“ des Lebens mit meinen Kleidungsstücken. Ich bin sogar jetzt schon recht weit mit der Aktion gekommen – und ich kann euch allen nur raten, es mir gleichzutun. Man atmet regelrecht auf. Sachen zusammenzulegen und an den ihnen nun für alle Ewigkeit zugewiesenen Platz zu legen, verschafft ein vollkommen unerwartetes Glücksgefühl. Kleidung kaufen muss ich im kommenden Jahr wohl kaum noch – so viele vergessene Schätze habe ich in den Untiefen meiner Garderobe geborgen. Die werde ich nun mit Freude wieder anziehen.

Vor der Aktion: Das Grauen in den Regalen

Vor der Aktion: Das Grauen in den Regalen

Nach der Aktion: Schon viel besser!

Nach der Aktion: Schon viel besser!

Kondos Buch gilt als der ultimative Aufräum-Ratgeber. Einmal gründlich und dann nie wieder lautet ihr Motto. Ob das stimmt, weiß ich natürlich noch nicht. Aber ich habe mehrere Freundinnen, die absolut begeistert von der Methode sind. Fünf Grundvoraussetzungen gibt es:

  • Man soll gründlich überlegen, warum man aufräumen möchte. Und wie man idealerweise dann leben und mit seinen Sachen umgehen will.
  • Man räumt nicht nach Zimmern oder Orten (z.B. Kleiderschrank, Schuhregal etc.) auf, sondern nach Kategorien. Also alle Kleider im ganzen Haus, alle Bücher – egal, wo sie sich befinden.
  • Man räumt „in einem Rutsch“ auf. Nicht über mehrere Tage verteilt, so dass man mit einzelnen Sachen herumhadert. Sondern einmal und richtig.
  • Beim Aufräumen nimmt man jedes Stück in die Hand und überlegt, ob es einen glücklich macht. Und bei Kleidern auch, ob man sie wirklich anziehen mag. Wenn nicht, weg damit.
  • Jede Sache wandert dann an einen präzisen Platz, den man sich vorher überlegt hat. Und der fortan auch so bleibt.

Also ran an den Speck. Meine Beweggründe liegen schon einmal klar auf der Hand. Ich will mehr Überblick haben, weniger herumsuchen und genau wissen, was ich besitze. Um am Ende dann viel bewusster und viel weniger neu zu kaufen. Kurz: Ich träume von einem ästhetisch sortierten Kleiderschrank, in dem nur noch Lieblingsteile versammelt sind. Kondo schreibt, dass die ganze Aufräumaktion zu einer Art Fest geraten soll. Bei mir läuft es zunächst leider anders. Ich kann nämlich unmöglich alle meine Kleider auf einmal sortieren. Dazu hat sich im Laufe der Jahre als Modejournalistin zu viel angesammelt. Also arbeite ich mit Unterkategorien. Erst die Oberteile, dann die Sportsachen, dann Röcke und Hosen und schließlich Kleider, Jacken und Mäntel.

Ich starte mit den Oberteilen und werfe diese auf einen Haufen auf die Yogamatte in der Mitte meines Zimmers. Es sieht schrecklich unordentlich aus. Zudem bellen unsere beiden Hunde gerade ununterbrochen – ein Fest ist das nicht. Ich bekomme Kopfschmerzen. Doch schon, als ich die ersten Teile in die Hände nehme, lichtet sich das Grauen. Es hilft wirklich, sich mit jedem Teil bewusst auseinanderzusetzen. Eine 10 Jahre alte Fellweste von Strenesse habe ich nur noch der Pietät halber aufbewahrt. Wenn schon ein Tier dafür sterben musste, dann kann ich sie doch nicht einfach wegtun. Doch, ich kann. Sie bereitet mir überhaupt keine Freude mehr. Und mit dieser Erkenntnis hat die Weste laut Kondo schon ihren Zweck erfüllt. Nie wieder werde ich so ein Teil kaufen. Sie ist noch vollkommen tragbar und heil und kommt auf den Stapel für unsere örtliche Kleiderkammer (ein weiterer Stapel mit kaputten oder unrettbar verfleckten Sachen geht an die Recycling-Sammlung).

Die weiße Marni-Bluse habe ich teuer bezahlt und nur selten getragen. Und werde sie auch in Zukunft nicht häufiger anziehen. Sie steht mir nämlich gar nicht. Sie kommt auf den Stapel für meine neue Online-Boutique bei Designer-Vintage (die eröffne ich übrigens in den nächsten Tagen). Meine über 20 Jahre alte Seidenbluse von Dries van Noten hingegen trage ich zwar nicht mehr, aber sie hat für mich einen Erinnerungswert, der glücklich macht. Kondo würde sicher zum Wegwerfen raten, aber die Bluse war mein erstes richtig tolles Designerteil. Und die damals so avantgardistischen Antwerpener Designer wie Dries zählen zu den Gründen, warum ich anfing, über Mode zu schreiben. Sie wird also aufbewahrt. So arbeite ich mich von Teil zu Teil. Zwischendurch wische ich die Regale im Schrank aus. Um dann beim Einräumen hoch zufrieden zu sein. Genau so hatte ich es mir vorgestellt. Morgen sind die Sportsachen dran.

Falten auf der Yogamatte. Beruhigt ungemein.

Falten auf der Yogamatte. Beruhigt ungemein.


Fotos: Stefanie Schütte und Shutterstock